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Ja, wir zocken – Ein Plädoyer für das Computerspiel

Wir zocken Computerspiel agorum

„Schrödinger“ heißt der Raum bei agorum, in dem unsere zwei Xbox-One-Konsolen stehen. Benannt nach Erwin Schrödinger, dem Physiker mit der toten bzw. lebendigen Katze. Ein Sinnbild für uns agorumianer: Wir sind Nerds. Und viele von uns sind Gamer. Und das ist gut so. Videospiele sind für uns nicht nur etwas, das uns nach Feierabend noch ein bisschen abschalten lässt. Für viele von uns ist das Zocken eine Leidenschaft und war eine Einstiegsdroge für die Beschäftigung mit Computern und deren Software. Deswegen arbeiten wir jetzt in einer Softwarefirma.

Die Hälfte von agorum zockt - Tendenz steigend

„Ein Spiel habe ich mal komplett durchgespielt. So ein Side-scroll Shooter. Da saß ich mal einen Tag dran, und dann hatte ich das durch. Da stand dann ‚Congratulations‘, und das wars. Da hab ich mir gedacht, was ist denn das für ein Scheiß, und hab mich nie mehr dafür interessiert.“ Die Leidenschaft fürs Computerspielen ist zugegebenermaßen nicht bei allen von uns gleich stark ausgeprägt. Zumindest einer unserer Mitarbeiter, von dem das Zitat stammt, kann damit wohl eher wenig anfangen. Bei vielen anderen von uns sieht es anders aus. Einer unserer Entwickler streamt auf Twitch, einer unserer Projektleiter verbringt seine kostbare Freizeit mit Overwatch, solange Frau und Kind es zulassen. Und einer unserer Geschäftsführer hat früher Maps für Half-Life 2 oder gleich seine eigenen Spiele gebastelt.

Gaming als Thema im Vorstellungsgespräch

Zu sagen, das Zocken an Konsole oder PC wäre bei uns ein wichtiges Thema, ist eine hemmungslose Untertreibung. Die Entwicklung des First-Person-Shooter-Genres seit den 90ern ist oft auch ein Thema bei Vorstellungsgesprächen. Wenn hier jemand kurzfristig Urlaub nimmt, kann man eigentlich gleich fragen: „Welches Spiel ist grade rausgekommen?“ Wobei es die meisten eh schon wissen. God of War, Fallout 76, Dark Souls Remastered – alles Thema zwischen Tür und Angel oder auf dem Raucher-/Dampfer-Balkon.

Computerspielsucht als Krankheit?

Menschen wie uns wundert es etwas, wenn wir hören, wie manche Nicht-Spieler über unser Hobby, nein, unsere Passion reden. Zum Beispiel, wenn die Weltgesundheitsorganisation in einem nicht ganz unkontroversen Akt „Computerspielsucht“ als Krankheit einordnet. Nicht, dass wir abstreiten, dass es Menschen gibt, die ein problematisches Verhältnis zu Computerspielen haben. Die ihre Gesundheit gefährden, indem sie über Tage oder Wochen hinweg pausenlos spielen, weil sie der realen Welt entfliehen wollen. Diese Fälle gibt es, zweifellos. Und solchen Menschen zu helfen, ist ein nobles Ziel.

Moralische Panik statt solider Wissenschaftlichkeit

Schade nur, wenn dabei der Fokus auf das Computerspielen gelegt wird. Und nicht etwa auf eventuell zugrundeliegende Faktoren wie Depression, soziale Angststörungen oder andere mentale Vorerkrankungen. Wie der Psychologe Andy Przybylski von der Universität Oxford es ausdrückt: Der Verdacht steht im Raum, das in der Entscheidung der WHO „moralische Panik statt solider Wissenschaftlichkeit“ am Werk ist. Und dieses Motiv kennen wir nur allzu gut. Bei jedem Amoklauf wird hinterher jedes Mal aufs Neue die „Killerspiel“-Verbotssau durchs Dorf getrieben. Unabhängig davon, ob der Amokläufer dieses oder jenes Spiel gespielt hat oder überhaupt mit Gaming zu tun hatte. Obwohl Studien immer wieder den Zusammenhang zwischen Spielen und Gewalttrieb verneinen.

Übermaß ist immer schädlich

Wir sind keine Psychologen und wollen daher gar nicht tief in die Debatte um die WHO-Entscheidung einsteigen. Dafür wollen wir aber eine andere Sicht auf die Thematik Computerspiel aufzeigen. Wie gesagt, für viele von uns war das Computerspielen ein Einstieg in die digitale Welt. Zugegeben, manchmal flüchteten wir uns mit dem Gaming in diese digitale Welt. Als Teenager kann die reale Welt überwältigend wirken und wir uns hilflos fühlen. Da ist es schön, wenn es einen Ort gibt, an dem klare Regeln herrschen, an dem wir Erfolgserlebnisse haben, der Held sein können. Und ja, das kann schiefgehen, wenn man es übertreibt. Wie so ziemlich alles im Leben, inklusive Arbeit, Essen, Trinken und so ziemlich jedes Hobby, das existiert – im Übermaß kann nahezu alles schädliche Ausmaße annehmen. Da ist das Computerspielen in keiner Weise anders.

Computerspiele verbinden uns

Doch mit dem Zocken ist noch viel mehr verbunden als nur Eskapismus, also die Flucht in eine virtuelle Welt. Ganz im Gegenteil: Mit dem Gaming verbunden ist eine ganze Kultur, eine Community von Spielern, mit denen wir durch unser Hobby in Kontakt kamen. Auf dem Pausenhof oder über Internetforen. Oder eben am Arbeitsplatz. Mit den Gleichgesinnten, die wir dort finden, diskutieren wir, streiten wir, schwelgen wir über die Spiele, die uns gerade beschäftigen. Wir messen uns miteinander, wir kooperieren und wir kämpfen. Gamer haben kein Leben und keine Freunde? Durch meine Aktivität in der Dark-Souls-Community habe ich Freunde in den USA, Russland, Japan, Brasilien, Italien und Usbekistan gewonnen. Menschen, die ich sonst niemals getroffen hätte, sind für mich heute nur einen Mausklick entfernt. Längst gehen unsere Gespräche nicht mehr nur über die Spielereihe, die uns zusammengebracht hat, sondern über unser Berufsleben, unsere Beziehungen im “echten” Leben, die Politik in unseren verschiedenen Herkunftsländern. Gaming verbindet die Welt. Buchstäblich.

Kooperationssschulung per First-Person-Shooter

Wie sehr Computerspiele helfen können, wichtige Fähigkeiten zu entwickeln und zu trainieren, zeigt der Versuch der amerikanischen Marines in den 90ern, den First-Person-Shooter Doom als Trainingssimulation für ihre Soldaten zu verwenden. Entgegen mancher landläufiger Meinung eignet sich ein Computerspiel schlecht dazu, Menschen das Töten beizubringen. Maus und Keyboard unterscheiden sich eben doch zu sehr von einem Sturmgewehr… Was das spielerische Miteinander aber erreichen konnte, war, die Kommunikation der Soldaten miteinander zu verbessern. Sich abstimmen, Probleme lösen, Prioritäten setzen – da konnte der Einsatz von Spielen punkten. Wer hätte gedacht, dass gerade das angeblich so unsoziale Spielen hervorragend darin ist, kooperative Kompetenzen zu schulen?

Einstieg in die Beschäftigung mit Hard- und Software

Und dann ist da halt noch die nicht ganz unwichtige Tatsache, dass Computerspiele eben auf Computern laufen. Oder manchmal nicht laufen. Ein direkter Einstieg in die Beschäftigung mit Hardware, Treibern und Betriebssystemen. Gerade die 80er und 90er Jahre waren in Sachen Copyright der Wilde Westen, erste Kopierschutzmechanismen kamen auf, um dem ausufernden Diskettentausch auf dem Pausenhof Einhalt zu gebieten. Nicht wenige lernten damals, in den Innereien von Programmen und Dateien zu wühlen, nur um so einen (oft dilettantisch gestalteten) Kopierschutz auszuhebeln. Eine ganze Kultur entstand so um die sogenannte „Cracker“-Szene (von „to crack“, also das „Knacken“ von Kopierschutz).

Eine Kultur ist keine Krankheit

Und „Kultur“ ist dann auch das Stichwort, das für uns so wichtig ist. Computerspiele sind kein Problem, keine „Krankheitsursache“ und kein Auslöser für Gewalttaten. Sie sind Teil einer kulturellen Bewegung von Computernerds, die dabei sind, die Welt zu verändern. Wie Elon Musk von Tesla. Oder es schon längst getan haben. Wie Bill Gates von Microsoft. Wir entwickeln ein Open Source Dokumentenmanagement-System am Tag. Und nach Feierabend zocken wir zusammen Halo. Wenn wir heimkommen, spielen wir Fallout 4, streamen God of War, machen Videos über Dark Souls Remastered. Wir haben Familien, Freunde, ein Leben. Aber als Zocker kommt eben noch ein virtuelles Leben dazu.

Bitmi

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